Verladeturm

von Liebling Brandenburg , , Seengebiet Oder-Spree

Im Jahr 2005 sanierten Jens Plate Architekten Berlin die historischen Gebäude des Denkmalensembles “Kulturhafen Groß Neuendorf”. Dabei wurde der ehemalige Verladeturm in den oberen vier Etagen zu einer großzügigen Ferienwohnung mit einzigartigen Ausblicken über das Naturparadies der mittleren Oder umgebaut. Jede Etage der Wohnung umfasst eine einzelne Funktion: Auf die Wohnebene mit offenem Kamin und Balkon folgt eine Loft-Küche, darüber liegen zwei Schlafzimmer für bis zu vier Personen. In den unteren Ebenen befindet sich das Turmcafé mit einer Ausstellung über die Geschichte der denkmalgeschützten Hafenanlagen und zusätzlichem Raum für Veranstaltungen. Als weitere Übernachtungsmöglichkeit wurden auf die noch vorhandenen Gleislagen der ab 1970 stillgelegten Oderbruchbahn fünf historische Bahnwaggons zurückgeholt, in denen jeweils bis zu vier Personen Platz finden. Sie stammen aus der gleichen Bauzeit wie der ehemalige Verladeturm und wurden ebenfalls mit viel Liebe zum denkmalgerechten Detail saniert und bewusst geradlinig und schlicht eingerichtet. Der über 200 Jahre alte Hafen Groß Neuendorf ist unmittelbar an den gut ausgebauten Oder-Neiße-Radweg sowie an den Oderbruchbahn-Radweg angebunden. Vor Ort können zudem Boote gemietet werden, mit denen das Anfang des 20. Jahrhunderts als „Kornkammer Preußens“ bekannte Gebiet auf dem Wasserweg erkundet werden kann.

Turm1

Turm2

Turm3

Turm4

Turm5

Turm6

Turm7

Turm8

Turm9

Turm10

Turm11

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Turm13

Turm14

Herr Plate, Ihr Architekturbüro hat die alte Hafenanlage Groß Neuendorf vor einigen Jahren saniert. Welche besonderen Herausforderungen waren damit verbunden?

Die beiden Hauptgebäude waren ursprünglich reine Maschinenhäuser, die nicht für den dauerhaften Aufenthalt von Menschen konzipiert waren. Dementsprechend schwierig hat sich die Lösung moderner Wärme-, Schall- und Brandschutzanforderungen gestaltet. Dabei wurde die Not jedoch zur Tugend, indem beispielsweise im Verladeturm eine vollflächige Wandheizung zum Einsatz kam, sodass man sich auch im tiefsten Winter mit dem zusätzlichen, offenen Kamin und dem Blick auf die Oder gut zwischen den Elementen Feuer und Eis ausbalancieren kann.

Sind die ursprünglichen Funktionen der Gebäude heute noch erfahrbar und wie haben Sie dies im Rahmen der Sanierung berücksichtigt?

Wo immer es ohne Einschränkungen der neuen Nutzung möglich war, wurden die originären Einrichtungen wie etwa die Schütt-Trichter an den Decken belassen, um die frühere Nutzung sichtbar zu machen. Während der schalungsrauhe Beton im Bereich des Turmcafés sichtbar blieb, hat die Ferienwohnung abgehängte Decken mit jeweils umlaufenden Fugen zu den Stahlbetonunterzügen erhalten, die den früheren Schwerlasteinträgen durch die Maschinentechnik geschuldet sind und ein wichtiges Strukturelement der Räume bilden. Aus den Fugen entwickelt sich so das spezifische Verhältnis zwischen Alt und Neu des ehemaligen Verladeturms. Gleichzeitig fließt aus diesen Fugen auch das dimmbare, indirekte Licht zur gleichmäßigen Ausleuchtung der Räume.

Welchen besonderen Reiz macht die Anlage aus und was wartet hier neben der Ferienwohnung auf Ihre Urlaubsgäste?

An erster Stelle ist hier sicher die unmittelbare Lage am Fluss zu nennen. Durch die Höhe des Solitärgebäudes bietet jede Etage einzigartige Aussichten über den Oderstrom; und das teilverglaste Dach gewährt den Blick in den nächtlichen Sternenhimmel. Dank der umlaufenden Fenster des Turms durchflutet die Sonne das Gebäude von ihrem Auf- bis Untergang mit Licht. Aber auch die spürbare Historie des Ortes birgt einen besonderen Reiz.

Die Region musste schon einige Hochwasser überstehen. Steht den Urlaubern da nicht mal „das Wasser bis zum Hals“?

Groß Neuendorf existierte bereits vor der Trockenlegung der Sumpfgebiete und gehört damit wie einige andere alte Orte zu den sogenannten Hochlagen des Oderbruchs. Daher war selbst der Scheitel des Jahrtausendhochwassers im Jahr 1997 im Hafen Groß Neuendorf gänzlich unkritisch. Bei der Bemessung der heutigen technischen Anlagen wurde das nach 1997 neu festgelegte Bemessungshochwasser plus großzügiger Reserven berücksichtigt. Damit ist der Turm auf jeden erdenklichen Wasserstand bestens vorbereitet. Da die polnische Ostseite der Oder keinen Deich aufweist, erstreckt sich das Hochwasser mindestens einmal pro Jahr über eine Breite von etwa fünf Kilometern bis zum östlichen Horizont. Dennoch erreicht das Wasser hier lediglich alle acht bis zehn Jahre die Oberkante der Kaimauer. Sobald die Oder dann auf dem Hafenplatz steht, laufen die Feriengäste über die hinter dem Deich beginnende Förderbrücke bereits 80 Meter über das Wasser, bevor sie den Turm betreten. Das Wohnen im Fluss ist dann natürlich besonders spektakulär.

Wie kam es zu der Idee, zusätzliche Urlaubsquartiere in alten Bahnwaggons zu errichten?

Noch bevor wir den Turm kennenlernten, hatte ihn ein Schrottverwerter bereits seiner wunderschönen Verladearme beraubt, was uns bis heute schmerzt. Eine vollständige Wiederherstellung wäre jedoch wenig authentisch gewesen und aus Budgetgründen ausgeschlossen, sodass wir sie baulich lediglich andeuten konnten. Um den Turm wieder als Verladeturm erkennbar zu machen, wurde das Denkmalensemble auf den noch vorhandenen Gleislagen der Oderbruchbahn mit historischen Waggons vervollständigt, die die früheren Vorgänge im Hafen nun wieder in vielen baulichen Details erlebbar machen. Danach erreichten uns immer mehr Anfragen, ob man in den leeren Waggons nicht übernachten könne, sodass wir uns zu einem Ausbau entschlossen. Damit leisten die Wagen heute einen wichtigen Beitrag zur denkmalverträglichen Nachnutzung der Hafenanlagen in Groß Neuendorf und damit auch zur nachhaltigen Entwicklung der Region Oderbruch.

Ihr Tipp für den Brandenburg-Urlaub?

Aufgrund der unzähligen Wasserwege sollte man die Schönheit der Brandenburger Natur unbedingt bei einer Kanu-Tour betrachten. Das Oderbruch lässt sich aber auch wunderbar mit dem Fahrrad erschließen. Ich empfehle zudem die Galerie Koch und Kunst in Letschin, in der neben wechselnden Ausstellungen auch Koch- und Fotografie-Kurse angeboten werden.

Fotos: Jens Plate Architekten
Interview: Katrin Gewecke

Adresse:
Historischer Verladeturm
Hafenstraße 1A
15342 Groß Neuendorf

Kontakt:
Susanne Zillich & Jens Plate
Fehrbelliner Straße 9
10119 Berlin

Mehr Informationen unter: http://www.verladeturm.de

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